ALEXANDER DORN | ENTER

METAPHYSISCHE ANOMALIEN | ALEXANDER DORN | ENTER
Alexander Dorn ist als Künstler in beinahe jedem Metier bewandert, und dass mit gnadenloser Präzision und Ausdrucksstärke. Doch darum soll es an dieser Stelle nicht gehen. Vielmehr eröffnet der Künstler dem Besucher mit der Ausstellung ENTER ein Tor in eine Welt der Reflexionen und Anomalien. Seit dem 23. Juli sind seine neuen Arbeiten in der Contemporary Urban Galerie (CU) auf der Kolonnadenstraße zu sehen. Es sind Arrangements, die der Künstler zuvor konzeptuell erarbeitet und sich mit einer Auswahl an Materialien oder Bildern in den urbanen Raum begibt. Seine De-Konstruktionen werden sodann in den Weiten städtischer Landschaften platziert. Aus dieser Art Staffage entsteht ein fotografisches Derivat, das zunächst einer klassischen Raumkonzeption entspricht. Katrin Klietsch und Juliane Maria Hoffmann, die Initiatorinnen der CU-Galerie wollen genau das zeigen: Zeitgenössische Positionen, die mit dem urbanen Raum korrelieren, der Stadt den gewohnten Rahmen entziehen oder aber erst Dinge, die Urbanität als kognitiv erfahrbaren Raum im weitesten Sinne ausmachen, hinzufügen. Insofern entsprechen die neuen Arbeiten des Leipzigers der Programmatik der CU. Doch was macht diese Kunst aus, was ist an ihr besonders? Und vor allem: Warum sollte man sich gerade in diese Ausstellung begeben und dabei den Sommer für eine derartige Kurzweil draußen stehen lassen? Mit der neu geschaffenen Werkreihe für die Ausstellung ENTER schafft es Alexander Dorn an die Qualität und Tiefe seiner vorhergehenden Themen anzuknüpfen und diese sogar zu steigern. Seine „Non places“, die ebenso aus einer Staffagesituation heraus entstanden sind, sind Unorte mit identitätsstiftendem Charakter und dem nötigen morbiden Esprit, der beim Betrachter ein Sehnsuchtsgefühl nach postindustrieller Vernachlässigung als Umgebung entstehen lässt. An dieser Stelle überspringt er gleich mehrere Schritte. Die neuen Arbeiten bieten dem Betrachter vielschichtige Ebenen, die sowohl mehrere Raumkonfigurationen unter anderem durch Reflexionen miteinander verbinden sowie überlagern als
auch die nötige foto- und kunsttheoretische Tiefenschärfe besitzen. Der Spiegel in der Arbeit „Anomalie“ wird selbst zu einem unheimlichen Akteur. Er scheint als eigenständiges Bild in der Luft zu schweben und verweigert zugleich den Blick in die Tiefe. Gleichsam gibt er dem Betrachter ein virtuelles Zerrbild der hinter dem Betrachter befindlichen Natur wieder. Paradoxerweise wird der Grad der Abstraktion des rückwertig nicht genauer definierbaren Raumes zwar durch den Künstler hergestellt, aber nicht von ihm geschaffen. Neben einer Kulturgeschichte des Spiegels hält das komplexe Produktionsszenario aber noch eine metaphysische
Komponente bereit. Der aufmerksame Cineast wird unlängst Parallelen zur „versiegelten Zeit“ erkannt haben. Alexander Dorn kokettiert allerdings nur mit den Fallstricken à la Andrei Tarkovski. Es ist ihm eher daran gelegen die subjektiven Erfahrungen des Betrachters auf die Probe zu stellen. Das Bild „Slide“ beispielsweise
lässt den Betrachter sofort an eine computergenerierte und damit hyperrealistische Ästhetik denken. Raum und Zeit scheinen gedehnt. Das Bild im Bild wirkt wie ein stufenlos wirkender Horizont, der selbst den Spiegel zum Thema dieses Ereignisses macht. Das Banale wird plötzlich zu einem Faszinosum. Allein die nicht sichtbare
Kamera vermag den vergänglichen Augenblick festzuhalten. Wer jetzt allerdings glaubt, Alexander Dorn handele mit seinen Bildern fahrlässig und führe dem Besucher lediglich eine Aneinanderreihung von optischen Versuchs-anordnungen vor, wird in der Ausstellung ENTER eines Besseren belehrt. Die Ausstellung ist vom 23. Juli bis
zum 01. August 2015 im CU in Leipzig zu sehen. Angesichts bester Aussichten auf Wetter und Kunst bleibt nur zu hoffen, dass es eine Chance auf Verlängerung gibt.
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Text: Stephan Franck

Bilder: © Alexander Dorn

anomalie           slide

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